Das Bild zeigt Bänke in Cetviny/Zettwing an der Maltsch, die das Zeitliche schon gesegnet haben – siehe dazu auch den Eintrag weiter unten zum Buch „Das Zeitliche segnen“. Mittlerweile stehen die Bänke nicht mehr; sie wurden durch neue ersetzt. Foto: EG
Mein neues Buch NOVEMBER
Das kleine Buch ist während des gesamten Novembers 2022 entstanden. Auch wenn es in Form eines Tagesbuches geschrieben ist und es den Charakter von tagebüchernen Aufzeichnungen hat, ist es kein Tagebuch, kein Nur-Tagebuch. Denn November findet in irgendeiner Weise immer statt. Mögen sich die Themen der Tage leicht verändern, mögen die Nebel einmal lichter und dann wieder dichter sein, mag durch sie hin und wieder ein Fortschritt durchkommen, dann wieder ein Stillstand oder gar Rückschritt, mag es einmal wärmer und dann wieder kälter sein: November, Herbst ist immer. Wir sind immer auf dem Weg zum Verwelken. Aber genauso ist immer Mai, Frühling. Wir sind immer auch in der Lust, zu blühen und gegen das Verwelken neue Knospen auszubilden. …
In NOVEMBER sinniere ich zu Erfahrungen, Erlebnissen, Geschehnissen und Vermutungen der Novembertage 2022. Aus den Nebeln treten Erinnerungen heraus und verbinden sich mit Aktuellem, werden zu Deutungen. …
In – den Tagen des Novembers entsprechenden – 30 kurzen Kapiteln schreibe ich auf 112 Seiten über aktuelle Ereignisse, die mich nachdenklich stimmen und Erinnerungen in mir wecken. Der Themenbogen ist gespannt von Allerheiligen bis zum Krieg gegen die Ukraine, von Fake News bis zur kirchlichen Strukturreform, von Theologie bis zum Stammtisch. Es ist ein sehr persönliches Buch geworden, mit dem ich anstößig sein will, diskussionsanstößig zu mehr Gemeinsinn und einem respektvollen Diskurs.
Ich verkaufe das Buch nicht, schicke es aber gerne gerne gegen Erstattung der Versandspesen zu, solange der Vorrat reicht. Die EmpfängerInnen sollen mir nicht das Buch abkaufen, sondern an Bedürftige in ihrem Umfeld einen Betrag spenden, den ihnen das Buch wert ist.
ernst.gansinger@gmail.com

Leseprobe aus dem Buch
Eintrag 29. November
Die Not von überall laden die Medien vor unserer Tür ab
INFORMIEREN
Die Schlagzeile ist heute, was in der Sage die Pfeife des Hamler Rattenfängers war. Sie soll anlocken, möglichst magisch in den Bann ziehen, alle Skepsis und Vorsicht ausschalten. Dem Rattenfänger folgten zunächst Ratten und Mäuse, dann die Kinder von Hameln. Die Ratten stürzten ins Wasser und ertranken. Die Kinder verschwanden für immer in einem Berg. Der von den medialen Schlagzeilen angelockte Mensch von heute läuft auch Gefahr zu ertrinken – in einem See von Schocknachrichten. Oder seine Gedanken verlieren sich in einem Berg von Tragik und Horror.
Wer die vielen Sensationen des Unglaublichen und Schrecklichen in sich stopft, die im Internet oder in den Medien – vor allem im Boulevard – schreierisch angepriesen werden, muss aufpassen, nicht an Kopf-Verstopfung zu erkranken. Das ist aber nur die eine Seite der Medienmedaille, die über die Befeuerung der Angst, dass auch mir und dir so Schlimmes wie das Berichtete zustoßen könnte, größere Reichweiten und höhere Umsätze erreichen will. Die zweite Seite ist, dass diese Veröffentlichungen des Schreckens persönliche Schicksale an eine gierende, laute Öffentlichkeit zerren, die viel mehr Stille bräuchten. Dazu kommt, dass von überall her die Meldungen des Schreckens und Wahnsinns kommen, was bei den Medienkonsumenten das Gefühl nährt, selbst in Dauer-Bedrohung zu sein. Früher erreichten die Menschen die Nachrichten aus der unmittelbaren Umgebung. Da geschah schon auch dann und wann Fürchterliches, und es wurde darüber berichtet. Aber heute ist es kein Dann und Wann, sondern ein Immer, weil sich der Ort zum Überall geweitet hat. Der Mensch nimmt das Immer wahr, ohne das Überall zu bedenken. Sein Gefühl kann mit der Geschwindigkeit der Informationsgesellschaft nicht Schritt halten. Früher wurden die meisten Nachrichten aus den umliegenden Teichen gefischt und meist mit weniger Eile zugestellt, heute kommen sie aus allen Weltmeeren und werden in Sekundenschnelle geliefert. Die Unglücke, die persönlichen Schicksalsschläge nehmen rasant zu, sagt das Gefühl. Es ist aber die weltweite Informations-Weitergabe, die zunimmt, und die Lust am Geschäft mit der Sensation.
Ich starte einen Streifzug durch das Internet, schau, welche Horror-Happen mir die unterschiedlichen Medien vor Augen halten: Schrecklicher Unfall mit tödlichem Ausgang. Tödlicher Unfall: Autofahrer erfasst Frau. Nach Sturz von der Leiter gestorben. Medizinischer Notfall: Autolenker stirbt vor den Augen seiner Beifahrerin. Tragischer Unfall kurz nach der Hochzeit. Ohne es zu wissen: Rettungssanitäterin behandelt ihre eigene Tochter am Unfallort – Mädchen stirbt. … Diese Nachrichten beziehen sich auf Ereignisse innerhalb der letzten zwei Tage. Sie stammen aus Kanada, Deutschland und Österreich.
Auf meiner Recherche-Tour durchs Internet stoße ich auf ein Liste, die fast 5000 „News“ zum Thema Tödlicher Unfall anführt. Die Neu-Gier der Menschen muss es lohnen, so eine Zusammenstellung anzubieten.
Vor vielen Jahren hat eine Frau, die in dem Haus gearbeitet hat, in dem ich gewohnt habe, am Arbeitsplatz von einem schweren Brandunfall ihres Mannes erfahren. Sie hat die Arbeit unterbrochen und ist nach Hause. Sie war noch nicht lange daheim, war schon ein Reporter an ihrer Tür. Die vom Unfall geschockte Frau konnte die frechen Anliegen des Reporters nicht abwehren. Er wollte ein Bild ihres Mannes. Sie händigte es ihm aus, obwohl sie es nicht wollte. Groß machte die Zeitung tags darauf die Geschichte vom Unfall mit dem Bild auf. Die Frau ärgerte sich noch lange, dass sie das Foto aus der Hand gegeben hat. Aber die BezieherInnen der Zeitung werden die Story mit Schaudern gelesen und ihr Gefühl genährt haben: so schnell kann etwas passieren, man kann nicht genug aufpassen! … Die Trauer der Frau und wie es zum „Raub“ des Bildes gekommen ist, wird die Menschen beim „Zeitungs-Konsum“ wohl kaum berührt bzw. interessiert haben.
Medien stellen Privates in die Auslage, private Dinge, die nicht wichtig sind zu wissen, nur der Befriedigung der Neugier dienen. Mir ist bewusst, dass es auch ein öffentliches Interesse gibt und nicht alles Private unter Verschluss gehalten werden soll. Aber die Guckloch-Neugierde, die von vielen Medien bedient wird, indem sie die Nachrichten darüber, was es an Not und Üblem gibt, in großem Umfang auswälzen, achtet zu wenig den Schutz der Privatsphäre. So frage ich mich etwa aktuell, warum man mich informieren sollte, wer die Autolenkerin war, die in einen tödlichen Unfall verstrickt war, und darüber, dass ihr Alkotest einen Wert knapp über der 0,5 Promille Grenze angab?
Indem die Medien die Sensationslust stillen (wollen), zündeln sie auch unter Wut-BürgerInnen. Jede ungerechtfertigte oder scheinbar ungerechtfertigte Leistung, die jemand vom Staat bekommt, der es „gar nicht nötig“ hätte, nährt die Wut auf „diesen“ ungerechten Staat. Was heißt Staat? – Die PolitikerInnen sind ungerecht! Und jede Hilfe, die Behörden jemandem nicht zukommen lassen, obwohl das Schicksal, das dieser Mensch zu tragen hat, förmlich nach Unterstützung schreit, vermehrt genauso die Wut. Das Gefühl vom Wahnsinn der Politik wird reichlich versorgt, weil von den vielen hilfreichen und treffsicheren Unterstützungen bei weitem nicht so ausführlich und häufig in persönlichen Berichten und Reportagen zu lesen oder hören ist. Würde das Verhältnis Gutes zu Schlechtem, „funktioniert“ zu „versagt“ in der Berichterstattung richtig abgebildet, fände die Wut viel weniger Futterplätze. Aber das lernt man schon in der Journalisten-Ausbildung: „Hund beißt Mann“ ist keine Nachricht; „Mann beißt Hund“ – das gibt etwas her. Die Sensation, das Außergewöhnliche ist der mediale Alltag!
Buch DAS ZEITLICHE SEGNEN (November 2016)
Am 18. November 2016 präsentierte ich in Linz im Mozartsaal in der Altstadt mein neues Buch „Das Zeitliche segnen“.
Ich freue mich, dass so viele Gäste gekommen sind; die Veranstaltung war ausgebucht. Allen, die mitgeholfen haben, dieses Präsentations-Fest zu gestalten (musikalisch, durch Zubereitung der Aufstriche, Spenden von Getränken, Küchen- und Servicedienste, Abwicklung des Buchverkaufs) sage ich herzlich danke!
Ernst
Zitate aus diesem Buch
Der fehlende Selbstzweifel in „Zweifellos“
„Der Mensch neigt dazu, sich als Maß zu nehmen, seinen Horizont als den für alle gewünschten Horizont zu erkennen. An diesem Maß und von diesem Horizont her wird die Welt gedeutet und verstanden: Meins ist richtig, Deins nur dann, wenn es ist wie meins. Es ist eine einfache Schnur, die durch das Leben führt. Ein Absperrband, das meinen Denkbezirk frei hält von Denkeintritten aus den umliegenden Bezirken.“
Tierliebe in „Der Hund des Königs“
“ Im Schreiben wurde mir immer deutlicher bewusst, wie groß das Vorbild Tier für den großen Mangel unserer Zeit sein kann: Beziehung.“
Nicht heraushalten! in „Den Worten nachgehen“
„Ich verstehe für mich: Christsein ist unmöglich im unschuldigen Raum möglich. Es fordert mich mitunter auf, „schuldig“ zu werden.“
Die Haltung den Flüchtlingen gegenüber in „Der Fremde, ein Feind“
„Wie ein Wort – ‚Willkommen!‘ – so in Verruf kommen, so unwillkommen werden kann! Noch dazu ein Wort, das einen Wert vorstellt, von dem man sich verabschieden will, ohne ihn je wirklich als Gesamtgesellschaft praktiziert zu haben! Nun aber ist der Wert in Grund und Boden gestampft. Fortan soll es keine Kultur mehr sein, Fremde willkommen zu heißen. In uns stecken halt doch ein Indogermane und das Altertum, steckt das Gefühl, das Griechen und Römer in ein gemeinsames Wort für Gast und Feind gossen. Eben noch Gast, dann Feind, oder auch umgekehrt.“
Zuschauen und Alles-Kommentieren in „Teilnehmen statt Anteil nehmen“
„Die zur Teilnahme-Gesellschaft gewordene Medien-Muppet-Show hat die Anteilnahme verlernt. Vom Balkon der Heraushaltung werden Bilder vermeintlicher Ideale hochgehalten. Brot und Spiele verlangen Statler und Waldorf, koste es, was es wolle – bei den anderen … Zur Anteilnahme sind die Menschen am Boulevard der Adabeis nicht mehr fähig. Anteilnahme verkümmert zur bloßen Teilnahme am Marathon der vielen Sensationen oder zu Sensationen aufgemascherlten Ereignissen.“
Der Stammtisch in „Ihr Recht geht vom Volk aus“
„Der Stammtisch ist längst nicht nur ein Tisch, ein Ort, an dem sich die kollektiv am gleichen Meinungsstrang Ziehenden treffen, sich gegenseitig bestätigen, Themen aufschaukeln, Haltungen würdigen oder kreuzigen. Er ist nicht nur ein Tisch, an dem die Tischgesellschaft das Rote Meer der Meinungen teilt – links die guten, rechts die verdammten – und so nasser Zunge durch Vorurteile und Gerüchte in die Wüste unverrückbarer Meinungen eilt. Der Stammtisch ist überall, überall, wo seichtes Wasser ist, das sich leicht aufstauen lässt. Staumaterial liefern Medien vor allem damit, was sie an Fragezeichen zu Rufzeichen verbiegen. Dazu kommen Postings von Mediennutzer/innen, die ihre Rufzeichen zu Pfeilen spitzen, Einträge in social media, Entrüstungen in der Straßenbahn und beim Kaffeekränzchen, Liegewiesen-Welterklärungen und vieles mehr. Stammtisch ist überall dort, wo die „Volksseele“ kocht, alles verkocht, faschiert, filetiert, paniert, erhitzt, gardampft, was ihr gerade unterkommt.“
Der Umgang mit Außenseitern und Gestrandeten in „Der Liegende, an dem vielen nichts liegt“
„Heimat bedeutet: Nicht links liegen gelassen zu werden, eingehängt, gestützt zu sein, von sich reden zu können, von den Wünschen, Ängsten und Hoffnungen, Sinn und Platz zu haben, dazu zu gehören, sich wenigstens ein bisschen auch wohl zu fühlen. Solange diese Welt nicht für alle in diesem Sinn eine Heimat ist – und davon ist sie weit entfernt – solange müssen die Beheimateten unruhig wegen der vielen Heimatlosen sein. Unruhig auch über das Links-liegen-Lassen so vieler Außenseiter.“
Die Gier nach Sensationen in „Hoppala, so viele Superlas“
„Unsere Zeit ist süchtig nach Superlativen. Im weltweiten Surfnetz wird die Sucht optimal bedient. Gewöhnliches wird ins Gewöhnlichste gesteigert. Dann wird es als bestes, größtes, kleinstes, ältestes, jüngstes, häufigstes, seltenstes, schrecklichstes, gefährlichstes, schlimmstes, harmlosestes, dümmstes, g’scheitestes, unsinnigstes, sinnvollstes … Irgendwas der Neugierde präsentiert.“
Die Kälte der Mindestsicherungsdiskussion in „Was braucht der Mensch zum Leben?“
„Wie viel Geld braucht man, um sich durchs Leben schlagen zu können? Das ist eine schwierige Frage. Aber die österreichische Politik hat zumindest eine relative Antwort darauf: ein Flüchtling kommt mit weniger aus als ein Dasiger.“
Die Geschichte als Erinnerungs-Aufgabe in „Zwei sehr unterschiedliche Wahrzeichen“, ein Text zu Zettwing/Cetviny
„Erinnern ist vor allem eine gemeinschaftliche Aufgabe. Aus dem gemeinschaftlichen Erinnern wird das Versöhnen möglich, das weit über das Sich-damit-Abfinden hinausführt. Alle Anstrengung ins Ermöglichen von Erinnern ist ein Geschenk an die Zukunft. Was immer wir an Erinnerung verschlampen, schmälert die Chancen der Nachkommenden für einen versöhnlichen Start in ihre Zeit.“
Flüchtlinge und Kriminalität in „Das Böse ist immer und überall“
„Es gibt von verschiedenen Seiten ein Interesse in diesem Land, ein Bild der Gefährdung, der zunehmenden Gewalt, der sich zuspitzenden Bedrohungssituation zu zeichnen. Um Aufmerksamkeit heischende Massenmedien und rechtspopulistische Politiker sowie Stammtischler, die in der Runde was erzählen wollen, sowie „unsocial“ media user arbeiten an diesem Bild. An einem Bild, das Angst macht und machen soll.“
Feindselige Gesellschaft in „Vier Feind-Seligkeiten“
„Eine vierte Feindseligkeit pflegt der Stammtisch: die Feindseligkeit der Angst, zu kurz zu kommen. Die Feindseligkeit des Neids, der wie ein Fernglas wirkt: Was andere haben oder bekommen, darauf schaut man mit der Vergrößerungs-Optik. Wirft man aber den Blick auf sich, dreht man das Fernglas um und sieht sich ganz winzig. Aus der Optik-Verzerrung modelliert man Behauptungen, die den Zorn im Land verstärken.“
Das Gottesbild des Fürbitt-Betenden in „Muss ich Gott weichklopfen?“
Warum einem Gott einen Platz in mir gestalten, einem Gott der schwach mit mir ist (wie es Etty Hillesum im „Sonntagmorgengebet“ anspricht), einem Gott, der kein Zauberer ist, der mich aus der Bedrängnis rettet? – „Wenn ich gut zuhöre, betend bin, steigt in mir dazu eine Antwort auf: weil ich jemanden brauche, bei dem ich so aufgehoben bin, dass ich verstanden bin, auch wenn ich mich verstelle. Dass ich verstanden bin, auch dort, wo ich mich selbst nicht verstehe. Dass ich verstanden bin mit aller Freude und aller Not, die ich habe. Wo ich ganz ich sein kann, weil es ein riesengroßes Du gibt, ganz in meiner Nähe, in mir, das ich nicht erst lange suchen muss. Und ich darf in ihm sein. Über dieses Ineinander-Sein bin ich verbunden mit allen und allem, die mir am Herzen liegen. Gott in mir und ich in ihm, das stiftet Gemeinschaft. Stärkende Gemeinschaft.“
